Geschichte des Kottens

Wipperkotten
Die Schleiferei Wipperkotten, eine historische Doppelkottenanlage aus dem 17. Jahrhundert, liegt malerisch am Ufer der Wupper und wurde erstmals um 1605 urkundlich erwähnt. In ihrer Blütezeit prägten bis zu 26 Anlagen dieser Art das Bild entlang der unteren Wupper.

Erhalt und Wiederaufbau
Dem Wipperkotten verdankt es der Zufall, dass er diesen Wandel der Zeit überstanden hat. Trotz wiederholter Brände von 1783 und 1858 und Überschwemmungen wurde er beharrlich wiederaufgebaut. Besonders das verheerende Hochwasser im Juli 2021 (siehe Video) mit einem Wasserpegel von 2,18 m führte zur vollständigen Überflutung der unteren Etage. Durch das engagierte Wirken des Fördervereins Schleiferei Wipperkotten e.V. konnte der Kotten wieder gemäß historischem Vorbild restauriert werden.

 

Doppelkottenanlage Wipperkotten
Loos'n Maschinn

Industrialisierung
Doch die einsetzende Industrialisierung hinterließ ihre Spuren und leitete den Niedergang der Wasserkraftanlagen im Tal der Wupper ein. Rund um 1880 traten die ersten Dampfschleifereien auf, darunter die Loos’n Maschinn (weitere Informationen dazu unter: Link). Die Wupperschleifer zogen daraufhin in modernere Fabriken um, wo sie unabhängig vom Wasserstand arbeiten konnten.

Überlebenswillen
Die Schleiferei Wipperkotten ist nicht nur ein historisches Zeugnis vergangener Zeiten, sondern auch ein Symbol des Überlebenswillens gegenüber den Naturgewalten und den Veränderungen durch die Industrialisierung. Seine Restaurierung steht für die Wertschätzung des kulturellen Erbes und die Beharrlichkeit, Geschichte erlebbar zu machen.

Außenkotten
Heute ist der kleine Außenkotten die letzte funktionierende Wasserkraftanlage in Solingen, in der weiterhin Messer produziert werden. In der ersten Etage des Außenkottens befindet sich meine Messermanufaktur, während im Erdgeschoss die Wasserkraftanlage mit Ihrer Mechanik und ein Museum untergebracht sind.

Innenkotten
Der größere Innenkotten wechselte um 1954 in Privathände, wurde ebenfalls saniert und zu Wohn- sowie Atelierräumen umgebaut.

Blick in das Radhaus
Wasserrad mit 32 Schaufeln

Wasserrad
Der Wipperkotten ist eine unterschlächtige Wasserkraftanlage. Das Wasserrad, Gebälk und Kranz bestehen aus Eichenholz und haben einen Durchmesser von 4,60 Metern bei einem Gesamtgewicht von über einer Tonne. Das Rad verfügt über 32 Schaufeln aus Nadelholz, die gleichzeitig auch als Sollbruchstellen dienen. Vom angestauten Obergraben wird das Rad durch die Fließgeschwindigkeit des Wassers von unten unterschlächtig angetrieben. Bei maximal 22 U/min leistet die Anlage etwa 20 PS oder 14,71 kW.

Welle
Die angeschlossene Welle, bestehend aus massiver Eiche und einer Länge von 5,30 m, leitet die erzeugte Energie über das aufgesetzte Kammrad aus Gusseisen und seinen 90 Zähnen aus Eschenholz (Sollbruchstelle) an die Kegelräder (Getaue) aus Gusseisen weiter. Durch die Übersetzung der Kegelräder entsteht bereits eine vierfache Umdrehungsgeschwindigkeit. Diese Antriebskraft wird über das große Treibrad und die Transmissionsriemen, an denen weitere Übersetzungen angeschlossen sind, in den jeweiligen Schleif- und Pließträume weitergeleitet. Dabei erreicht sie Geschwindigkeiten von bis zu 800 U/min.

Getriebe mit Eichen-Welle
Schleifer im Steinhaus

Steinhaus
Unten im Steinhaus, Rechts und Links in den Räumen wurde bis ins 18. Jahrhundert an großen Sandsteinen bis zu (2,30 im Durchmesser über eine Tonne schwer) halb hockend dahinter auf dem Wittstuhl große Klingen auf Kontur geschliffen.

Schleifstein
Der große Schleifstein ist von einer massiven Schutzabdeckung, einem Steingeschirr, Panzergeschirr aus Metall, umgeben, um den Schleifer vor tödlichen Verletzungen zu schützen. Trotzdem kam es wiederholt immer wieder zu verheerenden Unfällen, wenn ein Stein Haarrisse aufwies und während des laufenden Betriebs explodierte und den Schleifer mit in den Tod riss. Somit war den Schleifern nur eine geringe Lebenserwartung vergönnt.

Silikose
Aus heutiger Sicht war diese Arbeit doppelt lebensgefährlich. Der Sandstein enthielt Kieselsäure, und die Schleifer, die täglich vor diesem Stein arbeiteten, atmeten den gelösten Quarzstaub aus dem Stein ein. Dies führte zu Staublungenerkrankungen, Quarzstaublunge (Silikose) und im schlimmsten Fall Krebs.

Dr. Czimatis
Der Solinger Gewerberat Dr. Ludwig Czimatis (1861 bis 1942) führte in seiner Funktion als Beamter der Gewerbeaufsicht einen Kampf gegen die Silikose, die als Schleiferkrankheit eine weitverbreitete Berufskrankheit im 19. Jahrhundert war. Seinem Engagement ist es zu verdanken, dass die gefährlichen Sandsteine in den 1930er Jahren verboten wurden und durch synthetische Steine ersetzt wurden.

Lieferfrauen

Lieferfrauen spielten eine entscheidende Rolle beim Transport von Klingen und Scherenteilen zwischen den Schleifereien und den Kontoren der jeweiligen Fabriken. Mit einem Weidenkorb auf dem Kopf, der bis zu 25 Kilogramm schwer sein konnte, übernahmen sie diese Aufgabe, die eine beträchtliche körperliche Anstrengung erforderte. Die Wege führten oft entlang der Bäche und der Wupper und dauerten bis zu drei Stunden, wobei sie rund hundert Höhenmeter bewältigen mussten. Bis in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts wurden auf diese Weise Waren im Solinger Raum transportiert.

Wanderung Liewerfrauenweg

Für diejenigen, die diese Geschichte des „Liewerfrauenwegs“ erleben möchten, besteht die Möglichkeit, dies symbolisch zu erkunden. Der 16 Kilometer lange Weg verbindet als Rundweg die ehemalige Stahlwarenfabrik Friedr. Herder Abr. Sohn, das heutige Gründer- und Technologiezentrum Solingens, mit dem vierhundertjährigen Wipperkotten an der Wupper.

 

Für weitere Informationen zum „Liewerfrauenweg“ besucht bitte folgenden Link: Liewerfrauenweg – Der Wanderweg

Lieferfrau